Erich Fried

Politisches Engagement

Erich Fried ist ein Schriftsteller, der nicht nur über politische Ereignisse geschrieben hat, sondern er hat es auch gelebt. 

 

Der Zusammenhang zwischen Leben und Schreiben ist bei ihm vermutlich lebensgeschichtlich begründbar und als eine Einheit zu sehen. Sein Gedicht "Ungewiß bestätigt dies. 

Erich Fried war eigentlich "immer", sein ganzes Leben lang, politisch engagiert. In seiner Kindheit schon durch das miterleben des "blutigen Freitags", die Widerstandsgruppe (siehe Lebenslauf) und natürlich auch generell durch sein Judentum. Im Exil hat er gegen den Faschismus gekämpft und später war er immer, auch wenn er nicht in Deutschland gewohnt hat, Tagespolitisch informiert und aktiv. 

 

Ungewiß

Aus dem Leben 
bin ich
in die Gedichte gegangen

Aus den Gedichten 
bin ich 
ins Leben gegangen

Welcher Weg 
wird am Ende
besser gewesen sein?

 

 


Er hat sich in viele politische Geschehen eingemischt indem er seine Meinung öffentlich gesagt hat. Entweder indem er Gedichte geschrieben hat, oder an Demonstrationen teilgenommen hat, Reden gehalten hat...
So hat er sich auch geäußert zu Toden von Ulrike Meinhof, Rudi Dutschke, Siegfried Buback.

Einige seiner Sätze sind wie zu "Formeln" ihrer Zeit geworden:

Herrschaftsfreiheit

Zu sagen
"Hier
herrscht Freiheit"
ist immer
ein Irrtum
oder auch eine Lüge

Freiheit 
herrscht nicht

Status quo
zur Zeit des Wettrüstens

Wer will
daß die Welt
so bleibt
wie sie ist
der will nicht
daß sie bleibt

 

Humorlos

Die Jungen 
werfen
zum Spaß
mit Steinen
nach Fröschen

Die Frösche
sterben
im Ernst

Antwort

Zu den Steinen
hat einer gesagt:
seid menschlich

Die Steine haben gesagt:
wir sind noch nicht
hart genug

 

 

Totschlagen

Erst die Zeit
dann eine Fliege
vielleicht eine Maus
dann möglichst viele Menschen
und dann wieder die Zeit

 

Zur Kenntlichkeit

Ist eine Demokratie
in der man nicht sagen darf
daß sie keine 
wirkliche Demokratie ist
wirklich eine
wirkliche Demokratie

 

Anpassung

Gestern fing ich an
sprechen zu lernen
Heute lerne ich schweigen
Morgen höre ich 
zu lernen auf

 

Dann wieder

Was keiner 
geglaubt haben wird

was keiner
gewußt haben konnte

was keiner 
geahnt haben durfte

das wird dann wieder 
das gewesen sein

was keiner 
gewollt haben wollte



 

Das Ärgernis

Wendet euch
nicht ab
sondern schauet
ihr braven Bürger
den jungen Neonazis
die in eurem Staat
von neuem den Glauben
an den alten Irrsinn
gelernt haben
tief in die Augen

Ihr schaut nicht
genau genug hin
wenn ihr in diesen blauen
oder braunen
oder auch grauen Augen
nicht
einen Augenblick lang
euer eigenes
Spiegelbild seht

17.-22. Mai 1966

Aus Da Nang
wurde fünf Tage hindurch
täglich berichtet:
Gelegentlich einzelne Schüsse

Am sechsten Tag wurde berichtet:
In den Kämpfen der letzten fünf Tage
in Da Nang
bisher etwa tausend Opfer