3.2. Zur Anwendung der Forschungsergebnisse von Thomas und Chess
Während zwischen Intelligenz und Temperament kein
Zusammenhang besteht wird davon ausgegangen, dass der Schulerfolg vom
Temperament abhängig ist. (vgl. Zentner, 1993, S.124) Von den neun
Temperamentsdimensionen, die von Thomas und Chess vorgeschlagen werden, sind
dabei die Aktivität, die Ablenkbarkeit und die Ausdauer besonders wichtig für
den Schulerfolg. Aktive, ablenkbare und wenig ausdauernde Kinder neigen zu eine
Reihe von Verhaltensweisen die sich ungünstig auf die Informationsaufnahme und
die Leistungen in der Schule auswirken. Außerdem führen häufig die
aufgezählten Temperamentseigenschaften zu negativen Einschätzungen der Lehrer
und behindern somit eine produktive Interaktion zwischen Lehrer und Schüler.
Es wäre also durchaus sinnvoll, dass Lehrer die Temperamentsunterschiede ihrer
Schüler kennenlernen, um differenziert mit ihnen umgehen zu können.
Beim Erkennen der Temperamente ergeben sich aber vermutlich
Schwierigkeiten: Die Zuordnung der Kinder zu bestimmten
Temperamentskonstellationen beruht bei den Untersuchungen von Thomas und Chess
auf Langzeitstudien. Einem Lehrer ist es nicht möglich solche umfangreichen
Studien durchzuführen. Zum einen ist eine Langzeitstudie nur schwer möglich
und zum anderen bleiben die Beobachtungen des Lehrers nur auf das schulische
Verhalten beschränkt. Da dies nur ein Teil der Lebenswelt des Kindes ist und
nur durch den Lehrer beobachtet wird, könnte das Ergebnis eventuell verzerrt
sein. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass es neun
Temperamentsdimensionen zu berücksichtigen gilt. Möchte ein Lehrer die
Temperamente aller Schüler seiner Klasse untersuchen, wäre er vollauf als
Temperamentsforscher beschäftigt und ihm würde seine Aufgabe als Lehrer
vermutlich entgleiten.
Es wäre also hilfreich, wenn es einen Fragenkatalog für speziell für Lehrer
gäbe, der besonders die oben genannten Dimensionen berücksichtigt und dessen
Auswertung eine Tendenz zu den Temperamentsmerkmalen des Schülers zeigt.
Eine andere Möglichkeit wäre eventuell das typologische Klassifikationsschema
des einfachen, langsam auftauenden und schwierigen Kindes zu nutzen, welches
durch verschiedene Konstellationen von Temperamentsdimensionen zu Gruppierungen
entstanden ist. "Inzwischen haben verschiedene Forschergruppen diese
Dreiteilung teilweise bestätigen können. Die Klassifikation erfolgt jetzt in
unbeherrschte (undercontrolled), überkontrollierte (overcontrolled) und ich -
starke (ego - resistent) Kinder. [...] Die ich - starken Kinder umfassen
ungefähr zwei Drittel, die anderen je zwischen 15 und 20 Prozent der bisher
untersuchten Stichproben." (Zentner, 1993, S.81) Auch hierbei reicht es
jedoch nicht die Schüler nur einer Gruppe zuordnen zu können, sondern es müssten
Konzepte entworfen werden, das aufzeigt wie im schulischen Alltag differenziert
und unterstützend mit den Schülern umgegangen werden kann, um eine
ausgeglichene Zusammenarbeit zwischen Lehrer, Schüler und Mitschülern zu
ermöglichen. .