Erich Fried und die Gruppe 47

Die Gruppe 47

Auf der Tagung der Gruppe 47 liest Erich Fried aus seinem noch nicht erschienenem Gedichtband "Warngedichte" vor (Die Wiederkehr und Rückblick). Die Gedichte werden wohlwollend aufgenommen. 

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"Am ersten Sitzungstag hatte ich mehr Lampenfieber als je zuvor in meinem Leben. Erst als meine eigene Lesung vorüber war - ich muß sagen, glücklich vorüber war, denn es ging alles viel besser, als ich gehofft hatte - fand ich wirklich Ruhe, alles bewußt zu beobachten. Ich glaube, das Schönste an dieser Gruppe ist, daß hier wirklich literarische Arbeit geleistet wird. [...] In seinem Schlußwort sagte Hans Werner Richter von mir, es freue ihn, daß ich mich "wie" zu Hause gefühlt habe. Ich möchte da eine einziges Wort richtigstellen: Ich hatte nicht gesagt "wie" zu Hause, sondern schlicht und einfach "zu Hause". Ich habe mich zum ersten Mal seit vielen Jahren zu Hause gefühlt, an einem Ort, an den ich hingehöre." (Erich Fried 1963)

"Drei Tage lang werden Texte vorgelesen, Prosa, Gedichte, Szenen aus neuen Dramen, und werden von der Gruppe kritisiert. Daß diese Kritik sich im allgemeinen weniger mit dem Inhalt als mit Formfragen befaßt, werden gelegentlich einige Mitglieder der Gruppe bedauern und kritisieren, zum Beispiel auch ich. Es wäre aber keineswegs richtig, zu behaupten, daß alle Texte unpolitisch sind. Die diesmalige Tagung begann mit Szenen aus einem neuen Rosa Luxemburg Drama, an dem Professor Walter Jens arbeitet und das das von Günter Grass scharf - viel zu scharf [...] kritisiert wurde. Dann nach einer sehr interessanten Diskussion, als ich, Gedichte diesmal. und auch unter diesen Gedichten gab es etliche unmittelbar politische und etliche indirekt politische.  In einem, dem längsten dieser Gedichte griff ich Marshall Ky von Südvietnam an, der Hitler zu seinem Vorbild erklärt hatte und der ungeachtet dieser Erklärung von deutschen Zeitungen als Kämpfer für Freiheit und Demokratie gefeiert wurde. Auch die Tatsache, daß die Bundespost zwanzig Jahre nach Hitlers Tod nur eine Erinnerungsmarke an die Vertreibung von Deutschen aus ihrer Heimat herausbrachte, nicht die Befreiung der Konzentrationslager-Häftlinge oder an die Befreiung der Hitlerherrschaft, war in diesem Gedicht sehr scharf vermerkt. Und gerade dieses Gedicht gehörte zu denen, die von der Kritik am günstigsten aufgenommen wurden." (Erich Fried 1966)

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Literaturhinweis: 
Toni Richter
Die Gruppe 47 in Bildern und Texten
Köln 1997

Herausgegeben wurde dieses Buch von Toni Richter, der Frau von Hans-Werner Richter. Zu jeder Tagung der Gruppe gibt es einen einleitenden Text von ihr und dann persönliche Erinnerungen verschiedener Teilnehmer, angereichert mit zahlreichen Photos. Ein Buch also, das Teilnehmer subjektiv zu Wort kommen lässt und vielleicht gerade dadurch einen objektiven Eindruck verschaffen kann.

 

 

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