4. Schlußbetrachtung

Die alte griechische Einteilung der vier unterschiedlichen Temperamentstypen wirkt sehr einfach in Vergleich zu den neun Temperamentsdimensionen mit einer Drei-Stufen-Skala von Thomas und Chess. Betrachtet man diese Tatsache unter dem Aspekt der Eignung für den Schulalltag, so lässt sich anmerken, dass eine einfachere Einteilung aber gleichzeitig eine für den Lehrer überschaubare Teilung ergibt. Die Konstellation des Temperaments in schwierige, schwer auftauende und einfache Kinder, ist zwar auch ein einfachere Teilung, die aber leider noch nicht hingehend auf die Umgangsweise mit den Kindern in der Schule ausreichend bearbeitet worden ist

Typologien, egal ob die von Kaniak-Urban oder Steiner, bergen immer die Gefahr den Schüler "abzustempeln" und dem "Schubladendenken", das eigentlich vermieden werden soll, eine Chance zu geben. Der Lehrer sollte sich dieser Gefahr bewusst sein, und selbstreflexiv mit ihr umgehen. Wird die Einteilung in Temperamentstypen nicht zu starr gesehen und ist das Bewusstsein für vielfältige "Mischtypen" vorhanden können Typologien durchaus ein Hilfe für Lehrer und Schüler sein. Sie stellen ein Beobachtungs- und Deutungsraster dar, welches das Einfühlen und Verstehen des Anderen erleichtern kann. Letztendlich kann durch Behutsames umgehen mit Typologien auch Toleranz und Wertschätzung gefördert werden.

Steiner und Kaniak-Urban gehen beide von einer Vierertypologie aus. Bei Steiner gibt es den Sanguiniker, den Melancholiker, den Choleriker und den Phlegmatiker. Bei Kaniak-Urban das Seelchen-Kind, das Pflicht-Kind, das Abenteurer-Kind und das Schlaukopf-Kind. Bei beiden basiert die Zuordnung eines Schülers einem Temperamentstypus auf den Beobachtungen die in der Schule gemacht werden. Außerdem gehen beide Ansätze davon aus, dass die Schüler aus ihren eigenen Ressourcen schöpfen, die das Temperament bereithält. Dies ist sicherlich eine wichtige Grundeinstellung, die eine Einteilung in Typologien erst sinnvoll macht. Ausgehend von Kind versuchen die Möglichkeiten die dieses Kind, auch gerade auf Grund seines Temperaments, hat voll auszuschöpfen. Aufgabe des Lehrers sollte es sein diese individuelle Entwicklung zu unterstützen bzw. dem Schüler Wege aufzuzeigen. Die Typologie darf nicht als Wertung verstanden werden, sondern lediglich als Quelle, aus der geschöpft werden kann. Die Schüler sollten lernen ihre Fähigkeiten zu schätzen, sie als positiv wahrzunehmen und mit ihnen, nicht gegen sie, zu arbeiten.
In einer Klasse gibt es verschiedene Temperamente die für eine schulische Vielfalt unbedingt notwendig sind und erhalten werden sollten. Das Handlungswissen bzw. das umgehen mit den verschiedenen Temperamenten lässt sich wahrscheinlich nicht nur über den Kopf erlernen, sondern muss direkt im Unterrichtsgeschehen trainiert werden. Sinnvoll ist es sicherlich auch sich seines eigenen Lehrertemperaments bewusst zu sein und sein eigenes Temperament in Beziehung zu dem des Schülers/der Schüler zu sehen.