1.3. Messmethodik

In der Kindertemperamentsforschung werden folgende Meßmethoden verwendet (vgl. Zentner, 1993, S. 83-94):
der Verbalreport,
Verhaltensbeobachtungen und
physiologische Messungen

Verbalreport

Zum Verbalreport zählen Eltern-Interviews und Fragebögen.
Beim Eltern-Interview werden den Eltern Fragen zu den Verhaltensweisen ihres Kindes gestellt. Für die verschiedenen Verhaltenskategorien werden verschiedene Fragen vorbereitet, so dass der Interviewer so lange fragen kann bis eine Einstufung des Kindes möglich ist. Der Vorteil dieser Interviews ist sicherlich , dass man auch Feinheiten von Verhaltensweisen erfassen kann, die beim Fragebogen verloren gehen würden. Außerdem kann die Fragestellung von Interviewer erläutert werden. Trotzdem wird diese Verfahrensweise im Gegensatz zum Fragebogen nur selten verwendet.

Der Fragebogen wird hingegen häufig verwendet, sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis. Die verwendeten Fragebögen sind für unterschiedliche Kindesalterkonzipiert worden und haben unterschiedliche Länge. Sie reichen von 20 Fragen bis zu über 100. Durch den Einsatz von Fragebögen lassen sich ohne großen zeitlichen und materiellen Aufwand Verhaltensweisen von Kindern erfassen. Durch die Eltern als Informanten lässt sich zudem das gesamte Verhaltensrepertoire des Kindes sammeln, und nicht nur das Verhalten in einer bestimmten Situation, wie es sonst bei Beobachtungssituationen der Fall ist.
Kritiker finden bei dieser Methode genügend Angriffsfläche. Es ist natürlich fraglich, ob Eltern ihr eigenes Kind überhaupt objektiv beurteilen können. Ihre Beobachtungen sind verbunden mit bestimmten Erwartungen, die sie an das Kind haben. Außerdem bleibt meist unklar welche Vergleichsmöglichkeiten Eltern haben. Es ist schwer einzuschätzen wie hoch die Intensität eines Merkmals ist, wenn kein objektiver Richtwert vorhanden ist. Messfehler können auch dadurch entstehen, dass bestimmte Fragen von verschiedenen Eltern unterschiedlich interpretiert werden können.
Des weiteren werden bei Skaleneinschätzungen häufig Mittelwerte angegeben, da das Verhalten in unterschiedlichen Situationen differiert. Der Fragebogen bietet meist keine Möglichkeit differenziertere Angaben zu machen, so dass ein Durchschnittswert gebildet wird.
All diese Kritikpunkte tragen aber dazu bei, dass Fragebögen ständig verbessert werden, ihre Fragen sorgfältiger gestellt und ausgewertet werden und somit mit dieser Technik bessere Ergebnisse erreicht werden können.

Verhaltensbeobachtungen

Um eine Beobachtung quantifizieren zu können bieten sich drei Aspekte an:
die Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens,
die Dauer eines bestimmten Verhaltens und
die Intensität eines bestimmten Verhaltens.

Um gezielt ein Verhalten beobachten zu können, hat man inzwischen Laborumfelder entwickelt. Mit Hilfe von standartisierten Beobachtungsbögen, die sich zur Erfassung von Temperamentsmerkmalen eignen, kann man so durch Beobachtung Vermutungen auf das Temperament eines Kindes anstellen. Solche Beobachtungen, die mit den Augen durchgeführt werden können, werden direkte Verhaltensbeobachtungen genannt. Im Gegensatz dazu gibt es auch vermittelte Verhaltensbeobachtungen. Hierbei werden die Verhaltensweisen mit Hilfe von bestimmten Instrumenten ermittelt. Ein Aktometer beispielsweise, der an Armen und Beinen angeschlossen werden kann, mißt, durch Anzeigen der Intensität von Bewegungen, die Aktivität.
Solche Beobachtungsdaten aus Laborumfeldern liefern meist genauere Daten als Befragungen. Trotzdem werden sie häufig aufgrund ihrer Validität kritisiert. Deswegen wurden zusätzlich naturalistische Beobachtungen in der Schule, sowie im Elternhaus der Kinder eingeführt.

Physiologische Messungen

Viele Temperamentstheoretiker gehen davon aus, daß ein Temperamentsfaktor auf einer biologischen Grundlage aufbaut. Daher werden in der Kindertemperamentsforschung auch physiologische Messungen durchgeführt. Dies sind beispielsweise Messungen der Hirnstromaktivität, der Herzschlagrate, des Blutdrucks, der Pupillenerweiterung, der Qualität der Stimme, der Hautleitfähigkeit, der Oberflächentemperatur und der Streßhormone.
Es kann allerdings bislang keine hohe Korrelation zwischen den Ergebnissen der psychophysiologischen Messungen und Temperamentsdimensionen festgestellt werden. Als Grund hierfür wird die Tatsache angesehen, daß die oben genannten Messungen sich auf das periphere Nervensystem beziehen. Da das periphere Nervensystem auf viele Faktoren reagiert, ist es noch nicht gelungen Indikatoren für ein bestimmtes Temperamentsmerkmal zu finden. Es wird aber trotzdem weiterhin davon ausgegangen, daß ein Zusammenhang besteht und daß dieser durch physiologische Messungen zu ermitteln ist, sofern sich die biologischen Grundlagen im zentralen Nervensystem befinden. Sie Möglichkeit zur Messung von zentralnervöser Aktivität dürfte die Forschung an dieser Stelle also etwas weiter voranbringen.