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Das musikalische Märchen

„Peter und der Wolf“

 

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Die Entstehungsgeschichte von „Peter und der Wolf“

1936 bekam Sergej Prokofjew von Natalja Saz, der Leiterin des Moskauer Kindertheaters, den Auftrag, ein musikalisches Märchen  zu schreiben. Von ihr bekommt Prokofjew auch die Anregung, einen Vogel von der Flöte darstellen zu lassen. Prokofjew selbst sagt dazu: „Das Flötenvögelchen kommt auf jeden Fall. Wenn wir auch die primitiven Vorstellungen der Kinder nutzen, so ist das überhaupt nicht schlimm. Das Wichtigste ist, eine gemeinsame Sprache mit ihnen zu finden. ... Beginnen muss man mit dem Konkreten, mit kontrastierenden Eindrücken: Wolf und Vogel, das Böse und das Gute, das Große und das Kleine. Die Zuspitzung der verschiedenen musikalischen Timbres. Jede Person hat ein Leitmotiv.“[2]  Prokofjew schrieb also ein Märchen mit sehr illustrativer Musik. Den Text hat er selber dazu verfasst. Sein Anliegen war es, die Zuhörer, also die Kinder, in die Welt der Orchestermusik einzuführen und sie so die Orchesterinstrumente kennen lernen zu lassen.[3] Die Uraufführung fand am 2.Mai 1936 unter der Leitung von Prokofjew statt und war sehr erfolgreich.[4]

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Die Handlung 

Das musikalische Märchen „Peter und der Wolf“ handelt von dem Jungen Peter, der mit seinem Großvater am Rande eines Waldes wohnt. Er (und auch der Zuhörer) versteht die Sprache der Katze, des Vogels und der Ente. Die Tiere  sind seine Freunde. Der Großvater ermahnt Peter, immer die Gartentür zu schließen, falls der Wolf aus dem Wald komme. Eines Tages kommt der Wolf und stillt seinen Hunger, indem er die Ente frisst. Der mutige Peter lässt sich aber nicht einschüchtern und fängt mit List und der Hilfe des Vogels den Wolf. Zusammen mit den Jägern, dem Großvater, der Katze und dem Vogel bringt Peter den Wolf in den Zoo.

 

Die Musik

Die Menschen und Tiere des Märchens werden musikalisch durch Instrumente dargestellt:
Peter durch die Geige, bzw. die Streicher,
der Vogel durch die Querflöte,
die Ente durch die Oboe,
die Katze durch die Klarinette,
der Großvater durch das Fagott,
der Wolf durch drei Hörner,
die Gewehrschüsse durch Pauken und die große Trommel.
Handlung und Musik bilden eine Einheit und interpretieren sich wechselseitig. Die Mitwirkenden werden nicht nur durch die Klangfarben der Instrumente charakterisiert, sondern auch durch leitmotivisch verwendete Melodien. Bei der Wahl der Instrumente hat Prokofjew großen Wert auf die Anschaulichkeit der Musik gelegt (siehe oben, Zitat). Spannung und Höhepunkte werden durch Tempiwechsel und wechselnde Lautstärke dargestellt.

Es lassen sich drei Teile unterscheiden: Eine Art Exposition, in der die Charaktere und ihre Leitmotive vorgestellt werden (bis zum Erscheinen des Wolfes), die Zuspitzung der Handlung, in der die Motive den Handlungsverlauf untermalen und angepasst werden, und einen Schluss, dem Triumphzug, einer Koda ähnlich angelegt, bei dem nochmals alle Motive, zum Teil verändert, präsentiert werden.

Die Musik lässt sich der Programmmusik zuordnen. Programmmusik ist „Instrumentalmusik, die mit der Darstellung oder Andeutung eines begrifflich fassbaren Sujets verbunden ist, auf das der Komponist durch Inhaltsangabe oder Überschrift in der Regel selbst hinweist. Das zur Musik geeignete Sujet vermag die Phantasie des Komponisten anzuregen, die kompositorische Formung zu motivieren [...] und die Auffassung des Hörers in bestimmte Bahnen zu lenken.“[5]

 

Zum Begriff „musikalisches Märchen“

Wie der Begriff schon andeutet, findet bei einem „musikalisches Märchen“ eine Synthese zwischen der Musik und einem inhaltlichen Gedanken, einem Märchen, statt. Der inhaltliche Gedanke kann als Text der Musik beigefügt sein, was aber nicht zwangsläufig ist. Es lässt sich feststellen, dass verschiedene Komponisten Märchen als programmatische Grundlage für ihre Kompositionen verwendet haben.[1] Die Kombination von Musik und Märchen stellt somit nichts Ungewöhnliches dar. Die Verwendung von märchenhaften Themen zieht sich durch viele Kompositionen Prokofjews.  So vertonte er „Das hässliche Entlein“ von Andersen (1914), schrieb das Ballett „ Das Märchen vom Schelm“ (1915) und das Klavierstück „Märchen der alten Großmutter“ (1918). 1936 folgte „Peter und der Wolf – ein musikalisches Märchen für Kinder, op. 67“ und später das Ballett „Aschenbrödel“ (1944). Der Begriff „musikalisches Märchen“ wird häufig auch synonym mit „sinfonisches Märchen“ verwendet.



[1] z. B.  E. Humperdinck: Hänsel und Gretel (Oper, Volksweise), P. Tschaikowsky: Nussknacker-Suite (Ballettmusik, die sich inhaltlich auf das (Kunst-)Märchen „Nussknacker und Mäusekönig“ von E.T.A. Hoffmann bezieht), Dornröschen (Lied, Volksweise), C. M. von Weber: Der Freischütz (Oper, Volkssage), M. Mussorgsky: Die Hütte auf Hühnerfüßen (Orchestermusik aus: Bilder einer Ausstellung, russ. Märchen), E. Grieg: Peer Gynt-Suite (Orchestermusik, norwegisches Märchen)

[2] Prokofjew zitiert nach Junker u. Wittmoser: Sergej Prokofjew: Peter und der Wolf. Aus der Reihe „Schüler im Konzert“, Heft 12. 2. Aufl. Altenmedingen 1991/1999, S. 10

[3] vgl. Schipperges: Sergej Prokofjew. Reinbek bei Hamburg 1995, S. 94 f.

[4] vgl. Wittmoser u. Junker: Peter und der Wolf, S. 10

[5] Brockhaus Riemann Musiklexikon: Band 3, S. 329